Martina Bandoly erklärt hier, wie schnell sich Führungskräfte bei der Einschätzung ihrer Mitarbeiter irreleiten lassen.

Sympathische Mitarbeiter erscheinen kompetenter

„Jeder Mensch hat seine eigene Wirklichkeit“, sagt Martina Bandoly und sie erklärt: „Wir bilden in unserem Gehirn nicht die Realität ab, sondern wir konstruieren die Realität aufgrund unserer Erfahrungen und Erwartungen. Häufig nehmen wir gern nur das wahr, was zu unseren vorgefassten Meinungen passt.“ Je nachdem, wie sehr sich eine Führungskraft dessen bewusst ist, lässt sie sich bei der Bewertung der Mitarbeiter auch von Sympathie lenken. „Wir lehnen gerne Menschen ab, die etwas haben, das wir an uns selbst nicht mögen, die vollkommen anders sind als wir oder die uns an jemanden erinnern, mit dem wir eine schlechte Erfahrung gemacht haben“, so Martina Bandoly. „Wenn ein Mensch uns sympathisch ist, sind wir ihm gegenüber viel freundlicher und offener.“ Aus Sympathie resultiert auch häufig der Nähe-Effekt: „Je näher uns ein Mensch ist und je besser wir ihn kennen, desto positiver beurteilen wir jemanden“, meint die Karriereberaterin. „Der andere kann sich besser auf unsere Erwartungen einstellen, was ihn dann immer sympathischer macht und kompetenter erscheinen lässt.“

Der eine zu alt, der andere zu jung…

Da jede Führungskraft ihre eigene Realität konstruiert, hat sie auch zu den unterschiedlichsten Themen ihre eigenen Einstellungen und Vorurteile. „Wenn der Vorgesetzte die Einstellung hat, dass ältere Mitarbeiter weniger leistungsfähig sind, so wird er auch immer eine Bestätigung dafür finden“, erklärt Martina Bandoly. „Es kann aber auch sein, dass junge Mitarbeiter strenger beurteilt werden, wenn der Glaubenssatz vorherrscht, es kann nur derjenige gut leisten, der viel Erfahrung hat. Was nicht ins Raster passt, wird nicht registriert“, so die Führungsexpertin weiter.

Der Halo-Effekt: Wenn Vorgesetzte sich blenden lassen

Häufig erliegen Führungskräfte auch dem sogenannten Halo-Effekt. Martina Bandoly erklärt: „Wenn ein Mitarbeiter sehr eloquent und überzeugend auftritt, können diese Eigenschaften so blenden, dass der Rest der Person nicht weiter betrachtet wird. Es wird eine Annahme ohne Beweisführung getroffen: ‚Wer so gut und überzeugend reden kann, der muss auch sehr gute Leistung bringen‘.“ Der Halo-Effekt kann sich auch aufs Aussehen beziehen. „Attraktiven Menschen wird eine höhere Kompetenz unterstellt, während jemandem, der etwas nachlässiger gekleidet ist, unterstellt wird, dass er nicht so sorgfältig arbeitet. Schöne und attraktive Menschen beurteilen wir wohlwollender“, so Martina Bandoly.

Die Selbstillusion der Führungskräfte

Im Alltag gehen wir häufig davon aus, dass unsere Mitmenschen genau so empfinden und wahrnehmen wie wir. Diese Selbstillusion kann im Job aber Schwierigkeiten nach sich ziehen, wie Karriereberaterin Bandoly weiß: „Viele Führungskräfte vergessen, dass Mitarbeiter eine andere Einstellung zum Job haben können als sie selbst. Nicht jeder möchte Karriere machen, Geld, Macht und Ansehen erringen, sondern bevorzugt vielleicht eher die Zusammenarbeit im Team oder die Weitergabe des eigenen Wissens.“

Einmal gut, immer gut?

Der sogenannte Klebe-Effekt tritt häufig aus Gewohnheit und zur Konfliktvermeidung ein. „Ein einmal gut beurteilter Mitarbeiter wird selbst bei Leistungsabfall weiter gut beurteilt werden“, erklärt Martina Bandoly. „Davon abzuweichen hieße ja, Diskussionen zu entfesseln, ins Handeln kommen zu müssen, Konflikte zu erzeugen und diese zu lösen.“

Was Sie als Chef tun sollten

Hand aufs Herz: Sind Sie als Chef einem dieser Trugschlüsse auch schon aufgesessen? Um dies zu vermeiden, empfiehlt die Führungskräfteexpertin sich selbst zu hinterfragen: Wie stehen Sie zu diesem Mitarbeiter? Inwiefern spielen persönliche Vorlieben oder Abneigungen eine Rolle? Was  sind die möglichen Ursachen? Scheuen Sie vielleicht Konflikte? „Achten Sie bei Beurteilungen auch auf Ihre eigene Laune, um fair zu bleiben“, meint Bandoly. „Gut gelaunte Menschen erinnern sich gern an das Positive. Schlecht gelaunte Menschen dagegen suchen mit Vorliebe das Haar in der Suppe.“

Was Sie als Mitarbeiter tun sollten

Wenn Sie sich wiederholt unfair bewertet fühlen, empfiehlt Martina Bandoly ein Erfolgstagebuch zu führen, um bei Beurteilungsgesprächen mit überzeugenden Beispielen argumentieren zu können. „Die letzten Eindrücke sind immer die am stärksten vorhandenen und zählen bei der Beurteilung“, so die Beraterin. „Das bedeutet, spätestens kurz vor dem nächsten Beurteilungsgespräch offensichtlich für den Vorgesetzten durchstarten. Suchen Sie wenn möglich auch die Nähe des Chefs, also bringen Sie sich immer wieder in Erinnerung.“


Ein Beitrag von Stephanie Thun Bildquelle: © Picture-Factory – Fotolia.com

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