Das Coronavirus stellt in den kommenden Wochen nicht nur unser soziales Leben auf den Kopf, sondern Unternehmen und Mitarbeiter vor große Herausforderungen. Wann darf ich und wann muss ich zuhause bleiben? Muss ich mir Sorgen um meinen Arbeitsplatz machen und was ist eigentlich Kurzarbeitergeld? Viele Unklarheiten bereiten Arbeitnehmern Kopfzerbrechen. Katharina Schumann, Fachanwältin für Arbeitsrecht der Münchner Kanzlei Lehner & Kollegen, hat Antworten auf die drängendsten Fragen.
Ich möchte eine Ansteckung mit dem Corona-Virus vermeiden. Wann darf ich, wann muss ich zu Hause bleiben?
„Als Arbeitnehmer haben Sie kein Recht, wegen der Sorge vor Ansteckung oder allein dem Ausbruch des Coronavirus der Arbeit fernzubleiben. Ein Leistungsverweigerungsrechts bestünde nur dann, wenn die Erbringung seiner Arbeitsleistung für Sie unzumutbar ist. Dies wäre der Fall, wenn die Arbeit eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaften objektiv begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellt. Bloße Erkältungssymptome von Kollegen oder der Umstand, dass der Kollege gerade aus einem Risikogebiet kommt, sind ohne weiteren objektiv begründeten Verdacht oder Anhaltspunkte für eine Gefahr nicht ausreichend.“
Habe ich das Recht, beziehungsweise die Pflicht, im Home-Office zu arbeiten?
„Sie haben weder eine gesetzliche Pflicht noch einen gesetzlichen Anspruch, von zu Hause aus zu arbeiten. Weder kann der Arbeitnehmer einfach zu Hause bleiben, noch kann der Arbeitgeber einseitig Homeoffice anordnen. Die Option kann sich aber aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben. Und natürlich können beide Parteien das immer einvernehmlich vereinbaren.“
Der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt und ich komme auf diesem Wege nicht mehr zur Arbeit. Darf ich zuhause bleiben?
„Nein, in dem Fall müssen Sie einen anderen Weg finden, denn Sie tragen das sogenannte Wegerisiko, also das Risiko, zu Ihrem Arbeitsort zu gelangen. Arbeitnehmer haben grundsätzlichen keinen Anspruch auf Vergütung, wenn sie aufgrund von allgemein angeordneten Maßnahmen ihren Arbeitsplatz nicht erreichen und somit ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können.“
Wie ist die Situation, wenn ich selber erkrankt bin?
„Sind sie infolge einer Ansteckung mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt und können somit Ihre Arbeitsleistung nicht erbringen, haben Sie gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum von bis zu sechs Wochen. Nach Ablauf der sechs Wochen haben gesetzlich Krankenversicherte grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld.“
Habe ich Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn ich mein Kind zuhause betreuen muss, weil Kita oder Schule geschlossen wurden. Muss ich dafür Urlaub nehmen?
„Die Eltern müssen zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen. Ist dies nicht möglich, dürfte in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen, da es für sie unzumutbar sein dürfte, zur Arbeit zu gehen. Das heißt, in diesen Fällen dürfen Sie, um Ihre Kinder zu betreuen, zuhause bleiben und es ist nicht zwingend erforderlich, Urlaub zu nehmen. Allerdings ist der Arbeitgeber in dieser Situation nicht verpflichtet, Ihnen weiterhin das reguläre Entgelt zu zahlen, wenn Sie länger als nur ein paar Tage der Arbeit fernbleiben. Und selbst dann kann dieser Anspruch durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen sein. Nehmen Sie hingegen Urlaub, erhalten Sie normal Ihr Urlaubsentgelt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten hier versuchen, zusammen praktikable Lösungen zu finden, z.B. Abbau von Überstunden, Homeoffice oder ggf. sogar Aufbau von Minusstunden.“
Ich bin zwar selbst nicht erkrankt, muss aber in Quarantäne. Welche Auswirkungen hat das auf mein Gehalt?
„Sind Sie als Arbeitnehmer zwar nicht arbeitsunfähig, aber Adressat einer behördlichen Maßnahme, wie z.B. ein Tätigkeitsverbot oder Quarantäne, haben Sie in der Regel Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB. Wie lange, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, in der Regel sind dadurch jedoch nur ein paar Tage abgedeckt. Für den Verdienstausfall einer länger dauernden Quarantäne werden Arbeitnehmer deshalb nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes entschädigt. Diese Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Arbeitnehmer erhalten also von ihrem Arbeitgeber für die Dauer der Quarantäne, längstens jedoch für die Dauer von sechs Wochen, eine Entschädigung in Höhe des Nettolohns. Diese ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber aber auf Antrag von den Behörden erstattet. Nach Ablauf der sechs Wochen zahlt sodann der Staat einen Betrag in Höhe des Krankengeldes weiter, dann aber direkt an den Arbeitnehmer. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber wegen Krankheit oder Quarantäne wäre sozial nicht gerechtfertigt, zumal die Erkrankung wie auch die Quarantäne nur vorübergehender Dauer sind.“
Mein Arbeitgeber ordnet aus betrieblichen Gründen Kurzarbeit an – was bedeutet das?
Die Kurzarbeit bedeutet vereinfacht gesagt, dass die Arbeitszeit aufgrund eines Arbeitsausfalls – im Extremfall auf Null – und entsprechend auch der Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber reduziert wird. Um diesen Verlust aufzufangen, gibt es das Kurzarbeitergeld (KuG). Auf dieses haben Arbeitnehmer Anspruch, wenn das Arbeitsverhältnis nach Beginn des Arbeitsausfalls fortgesetzt und nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertag aufgelöst ist. Kurzarbeitergeld kann für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten bewilligt werden und beträgt bei Arbeitnehmern mit Kindern 67% bzw. bei kinderlosen Arbeitnehmern 60% der Differenz zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das ohne Arbeitsausfall gezahlt worden wäre, und dem pauschaliertem Nettoentgelt, das aufgrund der Kurzarbeit tatsächlich gezahlt wurde.
Muss bei häuslicher Quarantäne eine offizielle Krankschreibung eingereicht werden?
„Wird die Quarantänemaßnahme als Vorsorgemaßnahme angeordnet und ist der Arbeitnehmer nicht krank, ist er auch nicht arbeitsunfähig. Es kann und wird daher keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt ausgestellt werden. Der Arbeitnehmer muss aber trotzdem die Arbeitsverhinderung unverzüglich seinem Arbeitgeber anzeigen. Die behördliche Anordnung sollte er auch nachweisen können, um die Arbeitsverhinderung belegen zu können.“
Muss ich Dienstreisen antreten, wenn diese nicht in Risikogebiete führen?
„Ja. Solange und soweit keine Reisewarnung vorliegt für das Gebiet, in das der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen reisen soll, kann er die Dienstreise nicht verweigern. Dienstreisen in ein Gebiet, für das vom Auswärtigen Amt eine Reisewarnung ausgegeben wurde, darf der Arbeitgeber aus Fürsorgegesichtspunkten nicht anweisen. Der Arbeitgeber darf im Umkehrschluss private Urlaubsreisen nicht verbieten, diese wäre nicht vom Weisungsrecht gedeckt.“
Muss ich Überstunden leisten wegen des Ausfalls erkrankter Kollegen?
„Eine Pflicht zur Erbringung besteht nur dann, wenn sich dies aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag ergibt. Eine (ungeregelte) Nebenpflicht zur Leistung von Überstunden kann sich aber ergeben, wenn dadurch ein sonst dem Arbeitgeber drohender Schaden, der auf andere Weise nicht abgewendet werden kann, verhindert wird. Kommt es aufgrund des Coronavirus zu erheblichem Personalausfällen, kann ein solcher Fall u.U. vorliegen.“
Weitere Informationen: www.lehner-kollegen.de
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