Bossing

Mobbing ist systematisches Schikanieren

Doch wo verläuft die Grenze zwischen notorischer Übellaunigkeit und handfestem Mobbing? „Laut Bundesarbeitsgericht handelt es sich bei Mobbing um ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder eben durch Vorgesetzte“, erklärt Katharina Schumann, Anwältin für Arbeitsrecht aus der Münchner Kanzlei Brodski und Lehner. Dabei müssen die einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen für sich genommen noch keine Rechtsverletzung darstellen. Aber wenn sie sich über einen längeren Zeitraum wiederholen und in ihrer Gesamtheit und Systematik darauf ausgerichtet sind, die Würde des Arbeitnehmers zu verletzen, ihn zu beleidigen und dauerhaft einzuschüchtern, kann man von Mobbing oder Bossing sprechen. Vom Chef gemobbt werden Sie zum Beispiel, wenn Sie über Wochen und Monate immer wieder vom Vorgesetzten mündlich oder schriftlich beleidigt (z.B. ‚Sie sind für alles zu blöd!‘) oder diskriminiert (z.B. ‚Als Frau/ Ausländer/ Behinderter haben Sie hier gar nichts zu sagen…‘) werden, insbesondere wenn dies auch noch in Gegenwart von Dritten geschieht, wie Kollegen oder Kunden. Bossing könne laut Katharina Schumann aber auch dann vorliegen, wenn der Vorgesetzte seinen Mitarbeiter nur noch mit Aufgaben betraut, die weder seiner Ausbildung noch seinen Fähigkeiten entsprechen.

Mobbing-Tagebuch führen

Die Arbeitsrechtsexpertin empfiehlt Bossing-Opfern schnelles Handeln: „In jedem Fall sollten Arbeitnehmer nicht zu lange abwarten, bis sie die Initiative ergreifen, nach dem Motto: ‚Es wird schon wieder werden‘.“ Wer sich gegen Bossing wehren will, muss zunächst Beweise sammeln. Daher ist es ratsam, sich alle Gemeinheiten vom Chef möglichst konkret mit ungefährem Wortlaut, Ort, Datum, Uhrzeit und Anlass in ein kleines Büchlein zu notieren. Sollten sich unter Ihren Kollegen Zeugen für die Schikane finden, umso besser. Lassen Sie Ihr Mobbing-Tagebuch niemals offen herumliegen und nehmen Sie es am Abend am besten mit nach Hause. Auch beleidigende E-Mails oder andere schriftliche Korrespondenz mit Bossing-Charakter sollte gesammelt werden. So können Sie Ihre Behauptungen jederzeit begründen und es erleichtert auch die Durchsetzung von Ansprüchen vor Gericht.

Deeskalation durch Gespräch mit dem Mobber

Damit es aber gar nicht erst soweit kommt, versuchen Sie in einem Gespräch mit ihrem Vorgesetzten die Situation zu entschärfen. „Sagen Sie dem Vorgesetzten klar und deutlich, welche konkreten Verhaltensweisen Sie als diskriminierend, demütigend oder benachteiligend empfinden“, empfiehlt Katharina Schumann. Von pauschalen Mobbingvorwürfen rät die Anwältin ab. Besser sei es, konkrete Beispiele zu nennen und klarzumachen, dass Sie solches Verhalten nicht länger tolerieren werden. Bleiben Sie dabei aber stets ruhig und sachlich, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Denn lassen Sie sich auch zu verbalen Attacken hinreißen, kann man Ihnen das später zum Vorwurf machen.

Höhere Instanz einschalten und Verbündete suchen

Sollte das Gespräch mit dem mobbenden Chef keine Verbesserung bringen, haben Sie die Möglichkeit, sich an den Betriebsrat, die Personalabteilung oder direkt an den Vorgesetzten Ihres Chefs zu wenden. Auch hier sollten Sie Ihre Vorwürfe so konkret wie möglich vorbringen. „Der Dritte kann dann zusammen mit dem betroffenen Arbeitnehmer und dem ‚Täter‘ eine gemeinsame Lösung suchen und dabei als Mediator oder Vermittler agieren“, so Schumann. Und noch ein Tipp: Lassen Sie nicht zu, dass Ihr Chef Sie durch seine Beleidigungen ausgrenzt. Wenden Sie sich an Kollegen, denen Sie vertrauen und die für Sie Partei ergreifen würden. Vielleicht sind andere in einer ähnlichen Lage wie Sie und freuen sich ebenfalls über moralischen Beistand.

Hilfe vom Anwalt

Verbessert sich Ihre Situation danach noch immer nicht, empfiehlt die Rechtsexpertin sich qualifizierten Rat bei einer auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei zu holen. „Hier kann dann individuell beraten werden, welche Maßnahmen einzuleiten sind und wie viel Erfolgschancen diese haben werden. Oftmals kann das Problem bereits mit Hilfe eines Anwalts gelöst und eine Lösung zusammen mit dem Arbeitgeber gefunden werden, ohne dass es zu einem Gerichtsprozess kommen muss.“ Ein Gerichtsprozess ist für das ohnehin schon gebeutelte Mobbing-Opfer ein zusätzlicher Kraftakt. Das Verhältnis zum Arbeitgeber ist zu diesem Zeitpunkt meist schon so zerrüttet, dass am Ende nur noch die Kündigung bleibt. Und selbst danach ist die Welt noch lange nicht wieder in Ordnung. Laut BAuA Mobbing-Report klagten fast 90 Prozent der Gemobbten während oder nach dem Mobbingprozess über psychische und physische Probleme. 30 Prozent erkranken kurzfristig, weitere 30 längerfristig. Ungefähr ein Fünftel der Mobbing-Betroffenen musste eine Kur antreten oder begab sich in stationäre Behandlung.


Quelle: www.baua.de. Weitere Informationen unter www.brodski-lehner.de Bildquelle: © Tiko Aramyan – Shutterstock.com

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