Assessment-Center sind beliebt, doch lassen sich so wirklich alle Führungspersönlichkeiten beurteilen? Wie etwa hätte die herausragendste Persönlichkeit der IT-Branche abgeschnitten? Die Karriereberater Christian Püttjer und Uwe Schnierda präsentieren das Geheimprotokoll seines AC-Auftritts in Jeans und schwarzem Rollkragenpullover.
Mit Steve Jobs in der Gruppendiskussion: Alles hört auf mein Kommando!
Die erste Etappe im Assessment-Center mit Steve Jobs lautete Gruppendiskussion. Dabei machte er seinen eindeutigen Führungsanspruch von Anfang an unmissverständlich klar. Sobald der Moderator das Startsignal gab, legte er los. Von den für die Diskussion insgesamt 30 zur Verfügung stehenden Minuten beanspruchte sein erster Wortbeitrag bereits ganze 15 Minuten. Zuerst stellte er vehement das vorgegebene Thema der Gruppendiskussion in Frage. Seiner Meinung nach gab es nämlich ein viel wichtigeres Thema, über das geredet werden musste. Es hieß: „Was zeichnet neuartige Computer und MP3-Player aus, damit sich die Menschen in sie verlieben können?“ Seine pure Präsenz am Tisch, sein stechender Blick und seine Wortsalven ließen die anderen eingeschüchtert verstummen. Widerstand und Einwände waren bei ihm zwecklos, dieser Mann wusste offensichtlich ganz genau, was er wollte. Die Gruppe war so fasziniert, dass sie ihm nur noch gebannt an den Lippen hing und auf seine Anweisungen wartete. Steve Jobs spürte diese Erwartungshaltung intuitiv. Nach exakt 29 Minuten forderte er dazu auf, seinen Plänen durch Fußtrampeln und Applaus zuzustimmen. Begeistert nutzten die anderen AC-Teilnehmer den einzigen Moment, der für ihre Äußerungen reserviert war. Sie konnten nicht anders, es entstand eine unglaubliche Aufbruchsstimmung und alle waren bereit, Steve Jobs bedingungslos zu folgen.
Steve Jobs im Mitarbeitergespräch: Management-by-Anweisung
Auch in der Assessment-Center-Übung Mitarbeitergespräch pflegte Steve Jobs seinen eigenen Stil. Ganz offensichtlich war diese Führungskraft aus hartem Holz geschnitzt und schätzte Widerspruch nicht sonderlich. Dem vom Moderator gespielten fiktiven Assistenten, der seinen seit Monaten zugesagten Urlaub mit der Familie verschieben sollte, wurde nicht der Hauch von Verständnis entgegengebracht. Steve Jobs legte selbstverständlich viel mehr Wert auf die Umsetzung seiner unternehmerischen Visionen als auf die persönlichen Befindlichkeiten seines Mitarbeiters. Er orderte den Assistenten an seinen Schreibtisch, begrüßte ihn nicht und bot ihm auch keinen Platz an. Von den zur Verfügung stehenden zehn Minuten Gesprächszeit ließ er ihn schweigend acht Minuten warten und tat so, als ob er mit Geldgebern telefonieren oder Entwicklungsprotokolle studieren würde. Die restlichen zwei Minuten nutzte er sehr geschickt. Er fixierte den Mitarbeiter kurz aus den Augenwinkeln heraus, kam gleich auf den Punkt und fragte ihn, ob er ihm dabei helfen könne, die Welt aus den Angeln zu heben. Trotz der ursprünglichen Absicht Widerstand zu leisten, knickte der Moderator, der den Mitarbeiter spielte, ein und sagte begeistert zu, den Urlaub ins Wasser fallen zu lassen. Schließlich hätten große Visionen keinen Platz für kleingeistige individuelle Wünsche wie Urlaub, geregelte Arbeitszeiten oder freie Wochenenden.
Intelligenztests für Steve Jobs?
Das Assessment-Center endet mit dem gleichen Knall, der auch schon die Gruppendiskussion erschüttert hatte. Die Intelligenz-, Logik- und Persönlichkeitstests, die jetzt zu absolvieren waren, erklärte Steve Jobs kurzerhand für überflüssig und sinnlos. Seiner Ansicht nach sollte die Energie aller Anwesenden nicht im Assessment-Center verschwendet, sondern lieber gleich in die Entwicklung, Produktion und Vermarktung innovativer Produkte gesteckt werden. Auch hier zögerten die anderen Teilnehmer keine Sekunde und begannen sofort damit, die Maßnahmen und Schritte abzuarbeiten, die Steve Jobs allen klar und deutlich aufgetragen hatte.
Und das Assessment-Center-Ergebnis?
Natürlich fielen alle Teilnehmer mit Pauken und Trompeten durchs Assessment-Center. Steve Jobs, weil er so dominant aufgetreten war und die anderen, weil sie ihm so bedingungslos gefolgt waren. Steve Jobs ließ sich aber nicht beirren und zog seinen engagierten und direktiven Auftritt im AC anschließend auch beruflich konsequent durch. Es folgte … die Apple-Story. Fazit der Karrierecoaches: Manche Führungskräfte, die in Managementtests und Personalauswahlverfahren scheitern, sollten gründlich darüber nachdenken, ob ihre Zukunft nicht eher in der Selbstständigkeit liegt. Große Visionäre, brillante Erfinder und Vollblutunternehmer lassen sich oft nur unter Schwierigkeiten in bestehende Strukturen und Abläufe integrieren. Nicht mehr und nicht weniger sagt in diesen Fällen auch ein schlechtes Abschneiden im Assessment-Center aus.
Über die Autoren: Christian Püttjer und Uwe Schnierda sind seit 1993 als Bewerbungsberater und Karrierecoaches tätig. Ihre Erfahrungen aus Einzelcoachings und Seminaren rund um die Themen Bewerbungsunterlagen, Vorstellungsgespräch, Arbeitszeugnis und Assessment-Center haben sie in mehr als 70 Praxisratgeber eingebracht und damit schon über einer Million Leserinnen und Lesern weitergeholfen. Püttjer & Schnierda bloggen auf Karriereakademie. Bildquelle: Ben Stanfield, Flickr.com