In Deutschland begegnet man ihnen häufig: gut ausgebildete ausländische Fachkräfte, die aufgrund unüberwindbarer bürokratischer Hürden einen Job ausüben, der ihrer Qualifikation nicht gerecht wird. Sei es der Ingenieur aus Pakistan, der sich hierzulande als Taxifahrer durchschlägt oder die Chemikerin aus Bulgarien, die sich nun als Putzfrau verdingt – die Anerkennung von Berufsabschlüssen selbst aus den EU-Mitgliedsstaaten ist vor allem ein Kampf gegen die Bürokratie. Und das, obwohl man in Deutschland händeringend qualifizierte Fachkräfte sucht. Mit einem EU-Berufsausweis, den die Europäische Kommission vor kurzem in einem Gesetzesentwurf vorstellte, möchte man die Problematik entschärfen. Die kleine elektronische Karte soll hohe Bürokratiemauern überwinden und somit die Mobilität der Arbeitnehmer in Europa erhöhen.
Gesamte Ausbildung im Kartenformat
Die neue Richtlinie sieht nach Informationen der Tageszeitung Die Welt vor, die Schranken für die Anerkennung einer Berufsausbildung zu senken. Mit dem Berufsausweis können Bewerber den Stand ihrer Ausbildung und Qualifikation nachweisen. In ihm sollen Abschlusszeugnisse fälschungssicher abgespeichert sein und die individuelle Berufserfahrung hinterlegt werden. Besitzer eines Europäischen Berufsausweises könnten dann leichter einen Job im Ausland finden, denn künftig soll es ausreichend sein, die Berufskarte vorzuweisen, um den erlernten Beruf auch in anderen Ländern auszuüben. Die Anerkennung der Ausbildung über den Berufsausweis soll für Menschen, die nur zeitweise im Ausland arbeiten, wie etwa Reiseführer oder Skilehrer, besonders schnell und komplikationslos erfolgen.
Gleichwertigkeit von Ausbildungen feststellen
Hinter dem „Berufsausweis“ steht das „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“. Laut expat-news.com, dem deutschsprachigen Service- und Nachrichtenportal für Auswanderer und Expatriaten, sieht das Gesetz vor, die Gleichwertigkeit von im Ausland erworbenen Ausbildungsnachweisen im Vergleich zu deutschen Qualifikationen festzustellen. Gleichwertig seien demnach Ausbildungsnachweise immer dann, wenn keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der für den Beruf ausschlaggebenden Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnissen bestehen. Sollten im Einzelfall dennoch Unterschiede vorliegen, können diese durch andere Befähigungsnachweise oder Berufserfahrung ausgeglichen werden.
Arbeitgeber sind skeptisch
Vor allem Wirtschaftsverbände und Arbeitgeber sehen die Anerkennung gleichwertiger Ausbildungen noch mit Skepsis. Zu unterschiedlich seien die Ausbildungssysteme der 27 EU-Mitgliedsstaaten. Für die meisten Berufe liege kein gemeinsamer Mindeststandard vor. Die Befürchtung: Unter einer leichtfertigen Vergabe des Berufsausweises könnten deutsche Qualitätsstandards leiden. Dennoch stimmt die Mehrheit darin überein, dass es sinnvoll ist, Bürokratie abzubauen und die Anerkennung von Qualifikationen zu vereinfachen. Nicht zuletzt, weil der deutsche Arbeitsmarkt attraktiver für ausländische Fachkräfte werden muss.
Deutscher Arbeitsmarkt noch zu unattraktiv
Zwar sind aktuellen Schätzungen des Statistischen Bundesamtes zu Folge im letzten Jahr 240.000 Menschen mehr zu- als abgewandert, aber um den Druck auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen, wären jährlich zwischen 300.000 und 400.000 nötig. Und noch immer sind Menschen mit Migrationshintergrund zu deutlich geringeren Anteilen erwerbstätig als die Gesamtbevölkerung. Das belegt der zweite sogenannte Integrationsindikatoren-Bericht im Auftrag der Bundesregierung. Der europäische Berufsausweis soll nun die Anstellung zugewanderter Arbeitnehmer vereinfachen. Die EU-Kommission verspricht sich eine hohe Nachfrage in den verschiedensten Branchen. „Hochqualifizierten Berufsangehörigen wird es erleichtert, dorthin zu gehen, wo es freie Stellen gibt. Das wird sich wachstumsfördernd für die gesamte europäische Wirtschaft auswirken“, so EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier. Laut Welt online soll der Vorschlag in einem beschleunigten Verfahren vom Europaparlament und den Mitgliedsländern beschlossen werden und noch im ersten Halbjahr 2012 Gesetzeskraft erlangen.
(Quellen: welt.de, expat-news.com, derwesten.de) Bildquelle: © SG- design – Fotolia.com